4 Dorfspiegel Dietlikon Kurier Nr. 31 / 32 12.8.2021 Bundesfeier Dietlikon Mit Kopf, Hand und Herz Dietlikon erlebt mit Martin Meuli eine Bundesfeier der besonderen Art: einen Sinnpfeil und Wegweiser für die Zukunft der Schweiz. Pidu Peyer Das garstige Wetter am 730. Geburtstag der Schweiz erzwingt ein Alternativprogramm. Auf dem Dorfplatz stehen eine bereitgestellte Bühne und Anhänger mit Tischen und Bänken unbenutzt im Regen. Ein Fahrverbot macht klar: Hier geht gar nichts. Die Organisatoren haben sich rechtzeitig auf den Fadachersaal fokussiert und alle Hebel in Bewegung gesetzt. Die Festwirtschaft in der Halle wird ab 9 bis ca. 16 Uhr von den UHC Kloten Dietlikon Jets gestemmt. Das Corona Schutzkonzept gibt vor: Am Tisch wird bestellt, es wird serviert. Ab 10 Uhr präsentiert der Musikverein Dietlikon ein beeindruckendes einstündiges Konzert. Im Anschluss leitet der Auftritt des Jodelklubs Bärgarve Opfikon Glattbrugg mit urschweizerischem Gesang den Festakt ein. Gemeindepräsidentin Edith Zuber begrüsst die Festgemeinschaft und zeigt ihre Dankbarkeit gegenüber den Behörden und der Landesregierung in der Bewältigung der gegenwärtigen Krisensituation. Sie gibt ihrer grossen Freude Ausdruck, dass es ihr gelungen ist, Professor Doktor Martin Meuli für die Festrede zu engagieren – eine Koryphäe auf den Forschungsgebieten Verbrennungs- und Fötalchirurgie mit eigener Biografie «Operation am Ungeborenen». Tenor oder Chirurg? Dass sich Martin Meuli zwischen den Karrieren Tenor und Chirurg entscheiden musste, beweise seine künstlerische Ader. Nach einem grossen Applaus tritt der Ehrengast ohne Spickzettel aber mit typischem Halstuch ans Rednerpult und: Er singt! «Grüezi, grüezi seit mer i de ganze Schwiiz, ii de ganze Schwiiz, ii de ganze Schwiiz … allsiits». Seine Botschaft: Es sei wichtig, dass wir uns grüezi sagen und zwar von Mensch zu Mensch, von Aug zu Aug, von Mund zu Mund und nicht nur in den sozialen Medien, wo das grüezi sagen immer wieder vergessen gehe. Es gäbe für ihn heute zwei absolute Premieren zu verzeichnen – zum ersten Mal eine 1. August Rede und dazu noch in Mundart. Er dreht sich um, spricht links und rechts zum Musikverein hinter sich, um kurz darauf das Rednerpult zu verlassen und einen langen Rundgang durch den ganzen Saal zu machen. Auf eindrückliche Art und Weise packt er die Zuhörenden mit seiner freien Rede in bündnerischem Dialekt. Mit viel Gestik und stimmlicher Variation zieht er sein Publikum in den Bann und nimmt es mit auf einen gedanklichen Rundgang zum «Gesundheitszustand der Schweiz» – und das habe sehr viel mit Ressourcen zu tun. Der Klimawandel betrifft auch die Schweiz Auch wir Schweizer stiessen CO 2 und andere grausigen Geschichten in die Luft. Der Klimawandel, von dem viele Leute dächten «Joo gopferdelli, das kunnt natürli irgend eswenn scho alles uf öis zuè! Nur – halt – er ist halt schon lange da!». Der Permafrost, der unsere Alpen zu einem schönen Teil zusammenhalte, erodiere langsam, gehe verloren, was grosse Brocken ja halbe Berge zum abstürzen brächten. Der Klimawandel führe dazu, dass unser liebes Land gelegentlich zu einem metereologischen Tollhaus werde. Die Weltmeere würden befischt, «dass es chlöpft und tätscht», Quadratkilometerweise sei kein Fisch mehr da. Aber man könne mit etwas Bewusstsein entgegensteuern und zum Beispiel nur Thunfisch kaufen, von dem man wisse, dass bei dessen Fang nicht dutzende Delphine mit gestorben seien. «D’Regäwälder sind d’Lungè vo üserè Welt!», sagt der Redner. Sie würden abgeholzt, die edlen Hölzer verkauft und die Flächen zum Teil durch Palmölplantagen ersetzt. Er empfehle uns, bewusster zu differenzieren und im Laden die Packungen genau zu studieren. Die «seltenen Erden» – das seien Metalle – würden zu 97 Prozent in China gewonnen mit Hinterlassung zerstörter Landschaften und einer Umweltverschmutzung sondergleichen. «Planetäre Gefährdung» Was da in der Menge und Intensität geschehe, bedeute eine planetäre Gefährdung. Das Problem: Wir brauchen diese Metalle. Die digitale Welt existiere sozusagen auf dem Boden von «Seltenen Erden». Er sage nur, das sei ein grosses Problem, das uns in der Zukunft einholen werde. Die Frage sei jetzt – haben wir denn überhaupt Ressourcen, die sehr gut seien und sogar vielleicht bis zu einem gewissen Grad ein Alleinstellungsmerkmal der Schweiz sein könnten? Er wage die Antwort «Ja». Es sei die in unserem Volk vorhandene gemeinsame Energie von Kopf, Hand und Herz. Das seien keine hohlen Worte, sondern tiefste Überzeugung eines ganz normalen Schweizerbürgers. Seit vielen Jah- Eindringliche, inspirierende und zum Nachdenken anregende 1. Augustfeier in Dietlikon. (Fotos pp)
Kurier Nr. 31 / 32 12.8.2021 Dorfspiegel Dietlikon 5 ren sei unser Bildungssystem eines der besten auf der ganzen Welt. «Wir haben keine Analphabeten!». Es gäbe eine Menge Länder auf der Welt, da sähe es völlig anders aus. «Und was könd sie denn machè mit Menschè wo nid könd lesè, ned schriibe und ned rechné und nüüt – das sind armi Siechè», die einfach nicht wirklich produktiv sein könnten, so wie wir das können. Wir müssten unser Bildungssystem mit den bestmöglichen Energien nähren, so dass die Jungen auch in Zukunft etwas Gescheites werden könnten. Nicht nur Wissenschaftler – es brauche einen gesunden Mix von Tätigkeiten. Darunter verstehe er die ganze Bauernschaft in unserem Land und sehr explizit das Handwerk. Das müssten keine Ingenieure sein mit Doktortiteln und irgendwelchen lästigen Diplomen die «an d’Wand klöpft» im Büro hingen. Es brauche ein Handwerkervolk mit den gut schweizerischen Tugenden Sorgfalt, Hartnäckigkeit, Fleiss und Präzision. Ohne diese und noch verschiedenste andere Sachen gehe es nicht. Lob dem Gesundheitssystem Über die Themen Finanz- und Sozialsystem kommt er auf das Gesundheitssystem zu sprechen. Darüber rede er nun als erfahrener Mediziner, der in seinem Leben auf der ganzen Welt gewesen sei, um sich mit Kollegen über ihre Forschungen auszutauschen wie auch über die Qualitäten des Schweizerischen Gesundheitssystems. Die Schweiz habe – wenn nicht, das beste Gesundheitssystem der Welt, so doch eines, das exzellent ist. Wer mal die Rega brauche, erhalte das Beste, was man anbieten könne, um die Verletzung zu behandeln. Ohne zu fragen «Haben Sie Geld? Oder verstehen Sie Deutsch?», und zwar flächendeckend. Jetzt müsse er noch etwas sagen zum Thema Corona-Impfungen. Als Fachperson, der sich mit dem nationalen «Impfpapst» Christoph Berger abgestimmt habe. Seine Botschaft laute: Die Corona Impfung in der Schweiz – und zwar alle, die wir in der Schweiz hätten – sei in höchstem Masse wirksam. Sie verhindere Aufenthalte auf der Intensivstation, Inkubation, künstliche Beatmung, weinende Angehörige rundherum, die daran dächten, wo die Beerdigung durchgeführt werden solle oder was man in die Todesanzeige schreiben solle. Ein milder Verlauf sei zu erwarten, auch für alte Leute. Wenn man die Impfproblematik mit allgemeinen Lebensrisiken vergleiche, müsse man sagen, dass die Impfung weniger gefährlich sei als wenn man sich als Fussgänger oder als motorisierter Verkehrsteilnehmer mit Töff, Auto oder E-Bike in einem dichten Verkehr bewege. Das sei Welten gefährlicher. Er wolle uns zurufen, dass es eigentlich ein medizinisches, notwendiges Handeln sei, sich impfen zu lassen. Und es sei auch eine moralische, ethische Verpflichtung das zu tun, weil man sich damit selber und seinen Nächsten, seiner Familie aber auch der Volksgesundheit etwas entschieden Gutes tue, ohne dabei ein besonderes Risiko einzugehen. «Warum zum Teifel macht man das denn nicht einfach?». Es gibt Applaus. Er glaube, dass seine Gesamtschau – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit – in der Formulierung vertretbar sei. Die Schweiz sei seit langer Zeit ein gesundes Land und habe bezüglich Gesundheitszustand in der Zukunft eine ausgezeichnete Prognose – sofern wir alle – eingeschlossen die Nachwuchsgenerationen – mit der ganz grossen Sammlung all unserer guten Qualitäten und Rohstoffe täglich das Beste für uns und die Gesellschaft machen. «Mit Kopf, Hand und Herz schaffen wir das – und eine geimpfte Schweiz schafft es noch besser». Ein tosender Schlussapplaus und die Dankesworte der Gemeindepräsidentin Edith Zuber bilden den Abschluss der Festrede. Die Gäste erheben sich und singen gemeinsam den Schweizerpsalm, anschliessend serviert der Frauenverein einen Umtrunk. Der gemütliche Teil ist eröffnet. Eine komplette Abschrift der Festrede kann unter p.peyer@glattnet.ch angefordert werden.
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