2 Dorfspiegel Dietlikon Kurier Nr. 28 15.7.2021 Geschaffen hat das Projekt Karin Wiestner, in Zusammenarbeit mit vielen helfenden Händen. Sie arbeitet seit zwölf Jahren in der Bibliothek Dietlikon und hatte die Idee einer Telefonzelle, die man zu einer Buchzelle umgestalten könnte, bereits lange im Hinterkopf. Konkret angegangen wurde das Projekt jedoch im Juli letzten Jahres und musste dann aufgrund der Coronapandemie einige Hindernisse überwinden. Der Kurier hat nachgefragt. Karin Wiestner, was hat Sie dazu bewogen, die Buchzelle 24/7 zu erbauen? Wiestner: Mir ist diese alte Telefonzelle bei der Gemeindeverwaltung aufgefallen, die seit langem nicht mehr genutzt wurde. Ich habe gelesen, dass in vielen Städten der Welt ehemalige Telefonzellen in Buchzellen umgewandelt wurden. Das Prinzip hat mir so gefallen, dass ich mir so eine Buchzelle auch für Dietlikon wünschte. Der Name der Buchzelle 24/7 kommt daher, da sie 7 Tage pro Woche und 24 Stunden am Tag zugänglich ist. Als Karin Wiestner mit ihrem Bibliotheksteam das Projekt anpackte, ahnte sie noch nicht, was ihr bevorsteht. Sie beschreibt den ganzen Prozess als ziemlich bürokratisch, da sich die alte Telefonzelle, die zur Buchzelle umgebaut werden sollte, im Gemeindehaus befand. Deswegen brauchte sie etliche Bewilligungen, ehe die Buchzelle 24/7 so dastand, wie man sie heute zu sehen bekommt. Hinzu kam natürlich, dass Corona ihr zunächst einen Strich durch die Rechnung machte und die Planung erst einmal auf Eis gelegt wurde. Doch dank der grosszügigen Unterstützung aller Beteiligten und der Zusammenarbeit des lokalen Gewerbes konnte die Idee einer Buchzelle schlussendlich verwirklicht werden. All die Mühe und Arbeit hat sich gelohnt – die Buchzelle 24/7 ist ein echter Hingucker und nicht zu übersehen! Was ist der Nutzen einer solchen Buchzelle? Wiestner: Es gibt Menschen, die sich aufgrund ihres Berufsalltags nicht an die Öffnungszeiten der Bibliothek halten können und trotzdem gerne ein Buch ausleihen würden. Diese Personen haben jetzt die Möglichkeit, wann immer sie Zeit haben, die Buchzelle 24/7 zu besuchen und sich so viele Bücher zu holen, wie sie wollen. Aber auch für Personen, die sich die jährliche Abo-Gebühr der Bibliothek nicht leisten können oder wollen, bietet die Buchzelle 24/7 eine optimale Alternative. Karin Wiestner vor der Buchzelle: Diese Bibliothek ist immer offen. (Foto gc) Die schwere Trennung von einem Buch Zurück zu Susanna Fumagalli, der Leseratte. Auch sie ist völlig begeistert davon, dass es jetzt auch endlich in Dietlikon eine Buchzelle gibt. Sie tut sich schwer damit, sich von Werken, die sie einst verschlungen hat, zu trennen, denn sie möchte nicht, dass Bücher einfach so fortgeworfen werden. Ein Buch verdiene es, in die Hand genommen und gelesen zu werden. Dank kreativen Ideen wie der Buchzelle 24/7 falle es Menschen wie ihr einfacher, sich von ihren Büchern zu trennen, wenn sie wüssten, dass jemand anderes sich daran erfreuen wird. Es sei darum wichtig, generell mehr Buchzellen sowie die Koordination zwischen Gemeinden und Ortschaften zu fördern, sodass alte Bücher gleichmässiger verteilt werden können. Sie könnte sich gut vorstellen, dass im Hallenbad Dietlikon eine solche Buchzelle äusserst beliebt wäre. In der Badi greift man schneller einmal zu einem Buch, um gemütlich in der Sonne zu lesen. Bei der Gestaltung solcher Buchzellen stellt sich aber natürlich die Frage, wie dies von der Bevölkerung aufgenommen wird und wie es mit dem Vandalismus aussieht. Karin Wiestner, hatten Sie Bedenken, dass Vandalismus und das Stehlen von vielen Büchern zu einem Problem werden könnte? Wiestner: Zu Beginn dachte ich wirklich, ich müsse jetzt ganz viele Regeln aufschreiben, wie sich die BenutzerInnen zu verhalten haben, damit die Buchzelle 24/7 nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Bis jetzt läuft aber alles wie gewünscht und es gab keine Vandalismus-Vorfälle. Auch der Bücherbestand reguliert sich ganz von selbst, sodass nur selten mit Büchern aus dem Bibliotheksarchiv aufgefüllt werden muss. Lediglich das Hinstellen von Säcken voller Bücher finde sie ärgerlich, da in den Regelvorschriften extra betont wird, dies zu unterlassen. «Wenn die Menschen Säcke voller Bücher loswerden wollen, können sie diese bei uns in der Bibliothek abladen oder am jährlichen Bring- und Holtag vorbeibringen.» Sie hoffe, dass die Menschen ihren Wunsch berücksichtigen, damit die Buchzelle 24/7 nicht überfüllt wird. Sie vertraue in dieser Sache auf den guten Willen der Menschen. Denken Sie, dass Buchzellen auch noch in Zeiten der Digitalisierung populär sind? Haben Bücher in gedruckter Form überhaupt noch eine Chance, wenn praktisch alles online zur Verfügung steht? Wiestner: Da die Buchzelle 24/7 noch nicht lange steht, kann ich diese Frage schlecht beantworten, doch ich erhalte viel positive Resonanz. Ich glaube nicht, dass es irgendwann keine Bücher mehr gibt. Die Menschen, die gerne lesen, haben meist nach wie vor lieber ein richtiges Buch in der Hand. Natürlich wird immer mehr digitalisiert und auch wir Bibliotheken erweitern fortwährend unser digitales Angebot. Nebst dem digitalen Angebot wird es aber auch weiterhin immer Bücher geben. Deswegen denke ich nicht, dass Buchzellen durch die Digitalisierung bedroht sind, sondern vielmehr als eine Ergänzung gesehen werden können. Einen Eindruck davon, wie sehr Buchzellen auch heute noch beliebt sind, bietet uns ein Blick auf den Buchbestand der Zelle. Als die Buchzelle 24/7 am Eröffnungstag mit Büchern aus dem Bibliotheksarchiv bestückt wurde, haben die Mitarbeiter alle Bücherdeckel mit Etiketten versehen, um zu beobachten, wie sich der Buchbestand über die Zeit verändert. Echte Bücher sind im Trend Und tatsächlich sind bereits viele Bücher mit solchen Aufklebern verschwunden und durch fremde Bücher ersetzt worden. Auch Vielleserin Susanna Fumagalli ist der Ansicht, dass das Bedürfnis nach physischen Büchern und Buchzellen nach wie vor besteht, denn wenn sie in den Bücherbestand einer Buchzelle blickt, dann sieht dieser jeden Tag anders aus. Buchzellen beschreibt sie als eine Art «Wundertüte», bei der man nie weiss, was sich darin befindet. Man wird jedes Mal aufs Neue überrascht, und genau das liebe sie an Buchzellen so sehr. Deswegen wird sie auch weiterhin bei der Buchzelle anzutreffen sein.
Kurier Nr. 28 15.7.2021 Dorfspiegel Wangen-Brüttisellen 3 IG Frauenstimmen Frauen kommt zu Tische! Das Frauenmahl, das namentlich an das reformierte Abendmahl erinnert, will Frauen zusammen an einen (Ess-)Tisch bringen, um Gedanken zu bestimmten Themen auszutauschen. Am 4. Juli fand diese Veranstaltung zum ersten Mal in Brüttisellen statt. Monika Haverkamp Das erste Frauenmahl wurde 2011 im deutschen Marburg gefeiert. Es hat seinen Ursprung in einer Tradition aus dem Hause des Reformators Martin Luther und seiner Frau Katharina. Die beiden luden Gäste zu sich ein und während kurzer Tischreden ging Martin Luther auf aktuelle oder auch theologische Themen ein, über die im Anschluss gemeinsam mit den Gästen diskutiert wurde. 42 Frauen hatten den Weg in den Gsellhof in Brüttisellen gefunden. Es lag eine vorfreudige Erwartung in der Luft und allen war anzumerken, wie sehr sie es genossen, nach den Einschränkungen auf Grund von Corona wieder einmal in einem grösseren Kreis zusammenzukommen. Leider liess sich die Idee, alle an einer einzigen langen Tafel zu platzieren, nicht verwirklichen, doch das tat der Kommunikation keinen Abbruch. Von der ersten Minute an war der Raum erfüllt von angeregten Gesprächen, und an den mit viel Liebe zum Detail dekorierten 5er-Tischen herrschte ein reger Austausch. Einkaufen – eine Wissenschaft für sich Die Frage «Essen – Lust oder Frust?» zog sich als roter Faden durch die Veranstaltung. Im Supermarkt rufen Tausende von Produkten «kauf mich!». Will ich nachhaltig einkaufen, wird es kompliziert: Haben Erdbeeren eigentlich schon Saison? Wie weit gereist ist diese Mango? Stammen die Bananen aus fairem Handel? Kommen die Eier von einem Biohof oder aus konventioneller Haltung? Gleichzeitig versuchen wir, trotz vergessener Lesebrille, die kleingedruckten Inhaltsstoffe auf der Packung zu entziffern und das Ablaufdatum zu finden. Einfach mal rasch den Einkaufskorb füllen, das war gestern. Essen – an diesem Tag eindeutig eine Lust Dass beim Essen kein Frust aufkam, dafür sorgten Lisa Vollenweider und ihre Küchencrew. Der Apéro weckte mit Häppchen in den fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen süss, sauer, bitter, salzig und umami sämtliche Geschmacksknospen, die so auf Vorspeisen, Hauptgang und Dessert vorbereitet waren. Das abwechslungsreiche Buffet bot nicht nur für jeden Geschmack etwas, sondern war auch ein wahrer Augenschmaus. Vor allem bei den Vorspeisen waren kleine Kunstwerke gezaubert worden. Alle Speisen, die das Buffet zu bieten hatte, waren am Tag des Frauenmahls frisch zubereitet worden. Das sah man ihnen nicht nur an, das schmeckte man auch! Abgerundet wurde das Essen durch Bio-Weine aus dem Aargau – dem Anlass entsprechend natürlich von einem weiblich geführten Weingut. Zeit zum Verdauen, Zeit für Vorträge Zwischen den einzelnen Gängen gab es kurze, informative Vorträge. Den Anfang machte Annemarie Wiehmann von der IG Frauenstimmen mit einem kurzen Einblick in andere Esskulturen. Dass die ganze Familie sich um einen Esstisch versammelt, ist nicht selbstverständlich. In Saudi-Arabien zum Beispiel essen Männer und Frauen getrennt in verschiedenen Räumen. Man sitzt am Boden und gegessen wird mit den Händen. In südlichen Ländern werden stets grosse Mengen gekocht, da immer mit unangekündigten Gästen gerechnet wird, die verköstigt werden müssen. Des Weiteren nahm sie noch einmal Bezug auf das Motto des Frauenmahls und listete auf, welche Faktoren heutzutage dafür verantwortlich sind, dass einem das Essen buchstäblich im Halse stecken bleibt: zum Beispiel gesundheitliche Probleme, die zur Unverträglichkeit bestimmter Lebensmittel führen, psychische Probleme, die auf den Magen schlagen, fehlende Gesellschaft bei den Mahlzeiten. Für den Freundeskreis zu kochen, war auch schon einmal einfacher. Wer isst vegan, wer vegetarisch, wer hat welche Allergien? Ein passendes Rezept zu finden, ist keine einfache Aufgabe. Und am Schluss, was tun mit den Resten? Tischlein deck dich! Was mit überschüssigen Lebensmitteln zu tun ist, darauf hatte Ute Munz, Leiterin Abgabestellen und Freiwillige der Region Ost, eine Antwort. Ihre Organisation «Tischlein deck dich» unterstützt jede Woche 20 000 armutsbetroffene Personen in der Schweiz durch die Abgabe von gespendeten Lebensmitteln. Rund 2,3 Tonnen Nahrungsmittel landen jedes Jahr in der Schweiz im Abfall. Das entspricht einem Drittel der für den Konsum produzierten Lebensmittel. Würde man Lastwagen damit füllen und aneinanderreihen, reichte die Kette von Madrid bis Brüttisellen. Pro Gemeindepräsidentin Marlis Dürst (l.) ist mit von der Partie. (Fotos mh) Küchencrew (v.l.): Kathrin Staub, Lisa Vollenweider, Eveline Danz Obrist, Marie-Theres Weingartner Bucher (Lilo Keller, Marlis Sollberger fehlen) Person landen jährlich rund 60 kg Lebensmittel in der Kehrrichtverbrennungsanlage. Gemäss foodwaste.ch sind es täglich 320 Gramm Lebensmittel pro Person pro Tag allein im Haushalt. Möglichst viele Lebensmittel zu retten und an Bedürftige weiterzugeben, hat sich Tdd zur Aufgabe gemacht. Mittlerweile spenden 1000 Unternehmen Lebensmittel, die aufgrund des Ablaufdatums nicht mehr verkauft werden. Mit Tdd-eigenen Lastwagen werden die Lebensmittel bei den Spendern abgeholt. Dies erfordert eine ausgeklügelte Logistik, da die Kühlketten nicht unterbrochen werden dürfen und bei der Fahrroute möglichst Umwege vermieden werden sollen. In den Abgabestellen werden die Lebensmittel von Freiwilligen gerecht an Personen mit einer Bezugskarte verteilt. Die abgegebenen Mengen richten sich nach der Haushaltsgrösse. Wer die Organisation unterstützen möchte, findet mehr Infos auf der Homepage www.tischlein.ch Too good to go Aber auch als Privatperson kann man etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun. Esther Mauch von der IG Frauenstimmen stellte die App «Too good to go» vor, mit deren Hilfe man für wenig Geld abgelaufene Artikel von Bäckereien, Hotels, Restaurants, Blumenläden, Supermärkten in seiner Nähe reservieren, bezahlen und innerhalb eines bestimmten Zeitfensters abholen kann. Mehr Infos unter www. toogoodtogo.ch Noch ganz unter dem Eindruck des Gehörten beschlossen die Teilnehmerinnen spontan, ein Zeichen gegen Foodwaste zu setzen und das Dessertbuffet restlos aufzuessen. info@ig-frauenstimmen.ch
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