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2019_31-32

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2 Dorfspiegel Dietlikon

2 Dorfspiegel Dietlikon Kurier Nr. 31 / 32 8.8.2019 Mit Musik und feierlichen Worten: 1. August in Dietlikon mit Sarah-Jane (2. Bild v. l.) und Gemeindepräsidentin Edith Zuber (3. Bild v.l.). (Fotos rm) Wie Dietlikon zur diesjährigen Festrednerin gekommen ist, erklärte Gemeindepräsidentin Edith Zuber in ihrer Begrüssung so: «Als ich im Frühjahr die Fernsehsendung Club zum Thema ‹Adoptiert, gekauft, gespendet – wo komme ich her?› geschaut habe, ist mir die bekannte Schweizer Sängerin Sarah-Jane mit ihrer gesunden, klaren Einstellung und ihrer sympathischen Art, aber auch wie sie trotz Künstlerleben mit beiden Beinen auf dem Boden steht, sehr positiv aufgefallen. Deshalb habe ich sie für heute angefragt.» Einleuchtende Argumentationen Sarah-Jane, die am Rednerpult dieselbe Fröhlichkeit ausstrahlte, die man von ihren Auftritten her kennt, liess auf unterhaltsame Art ihr facettenreiches Leben Revue passieren. Geboren 1985 im damaligen Bombay ist sie von ihrer leiblichen Mutter, die sie aus welchen Gründen auch immer nicht behalten konnte, in einem Kinderheim abgegeben worden. Die Vornamen Sarah und Jane haben ihr ihre Schweizer Adoptiveltern gegeben. Als sie im Alter von zirca drei Jahren wissen wollte, weshalb sie eine andere Hautfarbe habe, habe ihre Adoptivmutter ihr das so erklärt: «Du bist nicht in meinem Bauch gewachsen. Ich kann keine Kinder bekommen, habe mir aber ein Kind gewünscht. Deshalb habe ich dich aus Indien geholt. Du bist mit dem Flugzeug gekommen.» Die Erklärung, dass sie mit dem Flugzeug gekommen und deshalb braun sei, habe sie dann auch ihren Kindergartengspänli gegeben. Gesungen habe sie schon bevor sie richtig sprechen konnte. Da ihre Eltern gern Schlagermusik hörten und Schlagerfilme sahen, waren die Weichen betreffend Musikrichtung schon früh gestellt. Im schulischen Bereich neigte Sarah-Jane eher zu Minimalismus, weshalb sie nach der Primarschule die Realschule besuchte. Hier erlebte sie, was es heisst, eine andere Hautfarbe zu haben. Sie wurde aufs Schlimmste gemobbt. Auch dass sie adoptiert war, gab Mitschülern Anlass zu Bemerkungen, auf die sie jeweils mit folgenden Worten reagierte: «Ja, ich bin adoptiert. Mich wollten sie, dich haben sie vielleicht nehmen müssen.» In dieser Zeit habe ihr der Sport viel gegeben. Die Aufzählung ihrer Erfolge im Bereich Leichtathletik dürfte viele Zuhörer überrascht haben. Der Weg zum ersten Grand-Prix Nach der Schule absolvierte sie eine Lehre als Coiffeuse beim Vater eines anderen bekannten Baselbieters, des Sängers Baschi. 2003 stiess Sarah-Janes Grossmutter in einer Zeitschrift auf einen Talentwettbewerb. Dass Sarah-Jane daran teilnehmen wird, galt für «Omeli» bereits als beschlossen. Jurymitglied Carlo Brunner war von der Stimme der nachmaligen Siegerin dann so begeistert, dass er sie unter seine Fittiche nahm. Bei der erstmaligen Teilnahme am Grand-Prix der Volksmusik 2004 wurde sie allerdings Letzte. Ein Jahr später revanchierte sie sich und belegte mit dem Ohrwurm «Einmal hin, einmal her» den zweiten Platz. Ein Bundesrat als Prophet Anlässlich einer militärischen Ehrung durfte Sarah-Jane 2006 im Bundeshaus die Landeshymne singen, was Ex-Bundesrat Samuel Schmid zur Aussage bewog, dass er den Schweizerpsalm noch nie so schön gehört habe und er ihr garantiere, dass sie diesen nicht das letzte Mal gesungen habe. Er behielt recht. Im Sommer 2007 gelangte die UEFA mit der Bitte an sie, die Landeshymne an der Eröffnungsfeier der Fussball-EM 2008 im St. Jakob-Park in Basel zu singen. Dazu Sarah-Janes rhetorische Frage ans Publikum: «Können Sie sich eine Coiffeuse vorstellen, die dreiviertel Jahre lang schweigen muss und niemandem erzählen darf, dass sie an der EM-Eröffnung die Nationalhymne singen wird?»

Kurier Nr. 31 / 32 8.8.2019 Dorfspiegel Dietlikon 3 2013 hat sich Sarah-Jane unsterblich in ihren heutigen Ehemann, den Musiker Dani Sparn verliebt. Gekannt haben sie sich schon länger. Im Mai 2018 haben sie geheiratet. Mit sehr persönlichen Worten wandte Sarah-Jane sich an dieser Stelle ans Publikum: «Kaum verheiratet, sind auch wir immer wieder gefragt worden, wie es mit Nachwuchs steht. Sie können mir glauben, wir sind dran, denn auch ich will das Mami-Sein nicht verpassen. Im Moment ist es uns aber noch nicht bestimmt, Mami und Papi zu werden. Im Februar und im April hatte ich zwei Fehlgeburten. Aus dem Sport habe ich mitgenommen, dass, wenn etwas nicht klappt, man es abhaken, nach vorn schauen und weitermachen soll. Daher mein Aufruf an Sie: Fragen Sie frisch verheiratete Paare nicht bei jeder Gelegenheit nach Nachwuchs, denn Sie kennen die Hintergründe nicht!» Mit der ersten Strophe des «Schacher Seppli», die sie ihrer im Februar verstorbenen Grossmutter widmete, schloss Sarah-Jane ihre mehrmals durch Applaus unterbrochene, etwas andere Bundesfeierrede. Mit der anschliessenden kraftvollen Solo-Interpretation der ersten Strophe des Schweizerpsalms dürfte sie dann bei vielen Zuhörern Hühnerhaut hervorgerufen haben. Mit dem Dank an alle sichtbaren und unsichtbaren Helferinnen und Helfer leitete Edith Zuber zum gemütlichen Teil über. Den von der Gemeinde offerierten Apéro servierten Damen des Frauenvereins, für das leibliche Wohl vor und nach dem Festakt sorgten Spielerinnen, Spieler, Funktionäre und Supporter des Unihockey-Clubs Kloten-Dietlikon Jets. «Ich glaubte zuerst an einen Scherz» Auch langjährige Bühnenerfahrung schützt nicht vor Lampenfieber. Dies bestätigte Sarah- Jane dem Kurier kurz vor ihrem Auftritt als Festrednerin an der Dietliker Bundesfeier. «Kurier»: Haben Sie nach 16 Jahren Bühnenpräsenz noch Lampenfieber? Sarah-Jane: Aber ja! Nervosität, einen trockenen Mund, zitternde Knie und schweissige Hände gehören einfach dazu. Nach dem ersten Ton sind diese Symptome aber meistens weg. Das wird heute nicht anders sein. Nach dem ersten Satz wird es laufen. Wann ist Dietlikon mit der Anfrage an Sie gelangt, anlässlich der Bundesfeier die Festrede zu halten? Kurz nachdem ich am 2. April in der Fernsehsendung «Club» zum Thema «Adoptiert, gekauft, gespendet – wo komm ich her?» teilgenommen habe, hat Gemeindepräsidentin Edith Zuber über meinen Ehemann angefragt. Wie war Ihre Reaktion auf diese Anfrage? Ich musste «patsch» herauslachen, da ich zuerst glaubte, es sei ein Scherz und mein Mann nehme mich auf den Arm. Als er aber erklärte, dass die Anfrage ernst gemeint sei, stellte sich mir die Frage, was soll ich an einer Bundesfeier sagen. Von Bundesfeiern in unserer Region hatte ich in Erinnerung, dass meistens Politiker am Rednerpult stehen. Als mir mein Mann erklärte, dass erwartet werde, dass ich von mir und meinem Werdegang erzähle, was mir nicht schwer fallen dürfte, sah die Sache anders aus. Haben Sie daraufhin spontan zugesagt oder brauchten Sie trotzdem Bedenkzeit? Nach eingehender Diskussion mit meinem Mann habe ich, wenn ich mich richtig erinnere, noch gleichentags zugesagt. Ich mache gern Nägel mit Köpfen. War sofort klar, was Sie der Dietliker Festgemeinde sagen werden? Aufgrund der Vorgaben eigentlich schon. Ich werde mein Leben Revue passieren lassen, von Anfang an, wie ich in die Schweiz gekommen bin, bis heute. Ich werde auch über Dinge sprechen, die gewisse Medien bisher noch gar nicht wissen konnten. Wie haben Sie sich vorbereitet? Ich habe das, was ich sagen will, stichwortartig aufgeschrieben, aber niemandem vorgelesen oder vorgetragen, weil ich befürchtete, dass mir dann zu viele Leute dreinreden würden. Schliesslich geht es um mich und um mein Leben. Gestern Abend bin ich in den Wald gegangen und habe meine Rede unter den fragenden Blicken meiner beiden Hunde drei Mal laut den Bäumen vorgetragen. Sie ist jedes Mal in etwa gleich herausgekommen und ich hoffe, dass das auch heute der Fall sein wird. Am 7. Juni 2008 haben Sie an der Eröffnung der Fussball-EM im Basler St. Jakob-Park vor 42 500 Zuschauern die Landeshymne gesungen. Können Sie den Text noch auswendig? Die erste Strophe sicher. Ich habe jedoch vorsorglich ein Blatt mit dem Text mitgenommen, nicht zuletzt der Reihenfolge der Strophen wegen. Interview: Ruedi Muffler

Gemeindezeitung Kurier