2 Dorfspiegel Dietlikon / Wangen-Brüttisellen Kurier Nr. 9 27.2.2020 Was zu erwarten war, traf ein: Allerlei Giftstoffe hatten sich im Körper angesammelt. Gebannt verfolgte damals auch Renato Meneguz aus Wangen das «Jenke-Experiment» auf «RTL». Die Fernsehshow beeindruckte ihn nachhaltig. «Ich nahm sie zum Anlass, um mit meinen Kindern selber ein Experiment zu starten», erzählt er. Anders als Jenke begann er aber nicht damit, plastikhaltige Nahrung zu sich zu nehmen, sondern den Hausabfall genauer unter die Lupe zu nehmen. «Erstaunlich, was in Küche, Garten oder einfach so an Plastikabfällen zusammenkommt», sagt der 40-Jährige. Kritische Stoffe im Blut Eines liess er sich nicht nehmen: Die Giftwerte – verschiedene Plastiksubstanzen sowie eine begrenzte Anzahl an Pestiziden – im Blut zu messen. Wohl wissend, dass gewisse Stoffe, mit denen er im Alltag konfrontiert ist, kritische Substanzen enthalten. «Mein Anliegen war aber auch, dies öffentlich zu machen, aus Umwelt- und Gesundheitsgründen», sagt er über die Motivation, für den Kurier einen Bericht über seinen Test zu verfassen. Angespornt durch die bedenklichen Befunde bei den Pestizidwerten möchte er sich nun für ein giftfreies Wangen einsetzen, wie dies Gemeinden wie Mals (I) und Lancy (CH) heute schon vorleben. «Ich sprach bereits mit Gemeindepräsidentin Marlis Dürst über den Wunsch, die Gemeinde möge giftfrei werden», erzählt Meneguz. Mit seiner Familie macht er vor, wie es funktionieren kann: Im Garten wachsen bis 60 Tomatenstöcke und viel Gemüse. Das erlaubt ihr, sich zumindest teilweise selber zu versorgen. Auf Pestizide oder andere Giftstoffe, wie sie in Gärten oder in der Landwirtschaft oft eingesetzt werden, verzichtet der Wangemer. Der Selbstversuch «Vor rund vier Monaten habe ich mich entschieden, dieser Frage auf den Grund zu gehen und sandte meine Blutprobe ans Labor IGL in Wittbek (DE). Ziel der Analyse war es, festzustellen, inwiefern mein Körper von Umweltgiften betroffen ist. Der Befund verschlug mir dann kurz mal den Atem. Obwohl ich mich grösstenteils biologisch ernähre oder Erzeugnisse aus dem eigenen Garten ernte – wo ich ohne Chemie hantiere – wurden in meiner Blutprobe diverse Umweltgifte festgestellt. Und diese teils in einer grenzwertigen oder erhöhten Menge, die über längeren Zeitraum hinweg gesundheitsbeeinträchtigend auf den Körper wirken. So wurde Lindan, p-Dichlorobenzene, Tetrachlorvinphos und Atrazin (seit 2012 verboten) festgestellt. Bei Phosdrin und Glyphosat war der Befund grenzwertig, bei Permethrin erhöht und somit gesundheitsgefährdend. Doch wie kommen diese Gifte in meinen Körper und was bedeutet dies nun für meine Gesundheit? Wie und Warum Ein Grossteil der Umweltgifte findet den Weg in unseren Körper über die Ernährung. Bei nicht biologischen Nahrungsmitteln sind Mengenanteile an Pestiziden, Insektiziden und Herbiziden bis zu einem definierten Grenzwert erlaubt. An meinem Beispiel fallen gekaufte Nahrungsmittel als Hauptquelle weg. Möglich wäre aber, dass durch Wind weiter getragene Stoffe meinen Garten kontaminiert haben. Ich kann mein Gemüse also noch so biologisch hegen und pflegen. Wenn in der umliegenden Gegend mit Gift hantiert wird, – vor allem in grösseren Mengen wie dies in der Landwirtschaft häufig der Fall ist – dann ist mein Gemüse gleich mitgespritzt. Eine weitere Aufnahme von Umweltgiften geschieht denn auch über das Einatmen von Stoffen in der Luft, welche nach Ausbringen in der Natur verdunsten oder sich auf dem Boden ablagern und dann durch den Wind in andere Gegenden verteilt werden. Als dritte Aufnahmemöglichkeit gilt Trinkwasser aus der Leitung. Ein freundlicher Mitarbeiter der Gruppenwasserversorgung Lattenbuck (GWL) in Wallisellen, woher Wangen sein Leitungswasser bezieht, versicherte mir jedoch, dass das Wasser, welches ich täglich trinke, einwandfrei sei. Trotzdem: auch die Wasserwerke sind über die Vielzahl der Agrargifte unglücklich. Denn unser Grundwasser steht zunehmend unter Druck. So wurden im September 2019 in verschiedenen Gemeinden (auch in Bassersdorf und Uster) die gesetzlichen Toleranzwerte für Chlorothalonil teils massiv überschritten. Gesundheitliche Risiken Von den bei mir festgestellten Giftrückständen darf bei mindestens fünf von sieben Stoffen von einer krebserregenden Wirkung ausgegangen werden. Weitere wirken zudem beeinträchtigend auf das Zentralnervensystem, beeinträchtigen Organe wie Leber, Niere und Lunge, reizen Haut und Augen (Quelle: BAFU, Wikipedia). Die Problematik bei vielen Pflanzenschutzmitteln ist der langsame Abbau in der Natur. Wird der Einsatz eines Mittels verboten, können Rückstände noch Jahrzehnte in der Natur nachgewiesen werden. Diesbezüglich ist es schwer nachvollziehbar, dass in der Landwirtschaft mit Mitteln hantiert werden darf, die unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung Renato Meneguz: «Ich muss davon ausgehen, dass meine Blutwerte hier in Wangen und Umgebung wohl kein Einzelfall sein dürften.» (Foto lni) und auf die Natur haben. Gleiches gilt natürlich auch für den Einsatz in privaten Gärten und bei Unternehmen wie der SBB, welche bis 2025 am Einsatz von Glyphosat festhalten will. Fehler bei Zulassungsverfahren Rund 100 bis 150 Gesuche werden beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), der Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel, jährlich eingereicht. Die Zulassungskriterien haben sich, so bestätigt das BLW, im Vergleich zu früher verändert. Selbst die Fachleute der Prüfstellen sind heute zur Einsicht gekommen, dass aktuell Wirkstoffe eingesetzt werden, die nach den heutigen Zulassungskriterien verboten und als gesundheits- und umweltgefährdend eingestuft werden müssten. Das erklärt auch, dass immer wieder bewilligte Stoffe, welche viele Jahre im Einsatz waren, als Risikostoffe aus dem Verkehr gezogen werden. Das jüngste Beispiel ist das Fungizid Chlorothalonil, das Ende 2019 verboten wurde. Die Rückstände in der Natur und die gesundheitlichen Folgen sind dann von der Bevölkerung und anderen Lebewesen zu tragen. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus verschiedenen Bundesämtern, ist derzeit an der Ausarbeitung von Massnahmen, welche die Zulassungsprozesse optimieren sollten. Doch Prozessoptimierung heisst noch lange nicht, dass die gefährlichen Wirkstoffe vom Markt genommen werden. Es geht auch anders Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Gartengiften ist nicht zwingend. In der Forstwirtschaft kann auf den Einsatz von Wirkstoffen wie Cypermetherin bei der Behandlung von Holzlagerplätzen verzichtet werden, wenn dieser ausserhalb des Waldes angelegt wird. Für die Bekämpfung von Schädlingen stehen verschiedene Nützlinge bereit und sogar der verschmähte rote Klee lässt sich – statt mit Gift – mit 100°C heissem Wasser verbrühen. Selbst in der Landwirtschaft sind Alternativen zu Agrargiften vorhanden. Der Biolandbau macht dies schon seit Jahrzenten vor. Schlussendlich ist es der Wille und die Einsicht, dass wir mit Gift in der Natur schlussendlich uns selbst zu Leibe rücken, die uns zum Umdenken und zum Handeln bewegt. Eine abschliessende Klärung, wie ich zu meinen Pestizidwerten im Blut gekommen bin, habe ich bisher nicht gefunden. Aus dem Sammelsurium an Informationen, welche ich im Laufe meiner Recherchen zusammengetragen habe, weiss ich aber, dass der grösste Teil der festgestellten Pestizide in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt. Auch muss ich davon ausgehen, dass meine Blutwerte hier in Wangen und Umgebung wohl kein Einzelfall sein dürften. Umso mehr wäre es mein grosser Wunsch, dass wir in unserer Gemeinde an einer gemeinsamen Lösung zur Reduktion von Pestiziden und Co. – im Sinne aller Bevölkerungsteile – arbeiten und unsere Verantwortung für zukünftige Generationen wahrnehmen.» Feedbacks an: renato-meneguz@bluewin.ch
Kurier Nr. 9 27.2.2020 Dorfspiegel Dietlikon / Wangen-Brüttisellen 3 Silvan Küderli und Anna Tapernoux kennen die Sorgen und Nöte der Jugendlichen. (Foto ha) Jugendarbeit in den Kuriergemeinden Anlaufstelle und Naherholungsgebiet Jugendliche tragen oftmals ein grosses Paket an Herausforderungen mit sich herum. Sie zu bewältigen, bringt sie teilweise an ihre Grenzen. Die Offene Jugendarbeit von Wangen-Brüttisellen (OJAWB) und die Jugendarbeit Dietlikon (OJUGA/AJUGA) bieten Unterstützung an. Hakan Aki Die Offene Jugendarbeit Wangen- Brüttisellen (OJAWB) gehört der Gemeinde an. Genauer gesagt zum Ressort Gesellschaft. Als Teil davon kümmert sie sich um das Jugendhaus (Jugi), das «Jugibüro» und ist an Dorffesten und anderen Events auch im öffentlichen Raum tätig. Last but not least bietet sie Projekte für Kinder und Jugendliche an. Zusammen mit der Jugendarbeit Dietlikon, die dem in der Region verankerten Verein Plattform Glattal angehört, nehmen sie sich den Problemen von Jugendlichen im Alltag an. Als eine Herausforderung, mit der Jugendliche im Alltag zu kämpfen haben, gilt die hohe Erwartungshaltung der Gesellschaft: «Die Kids von heute stehen unter einem grossen Druck. Die Zukunftsangst ist zum Teil sehr ausgeprägt», sagt Silvan Küderli, Leiter der OJAWB und fügt an: «Im Jugi stehen daher stets die Jugendlichen als Menschen im Fokus und nicht ihre Leistungen.» Während der Pubertät müssen Jugendliche eine Vielzahl von Entwicklungsaufgaben erfüllen. In einer Zeit, wo die Schule und die Lehrstellensuche zentral sind, birgt dies Konfliktpotenzial. Das Ungleichgewicht in Sachen Chancen spricht der Jugendarbeiter so an: «Leider haben Menschen nicht dieselben Voraussetzungen, mit denen sie ins Leben starten. Dies versuchen wir mit unserer Arbeit auszugleichen.» Man unterstütze die Jugendlichen in ihrer Selbstwirksamkeit und arbeite mit ihnen an ihrem Selbstbewusstsein. «Die, die wir enger begleiten, kommen zur Sprechstunde, einem Beratungsangebot der OJAWB», ergänzt der diplomierte Sozialarbeiter. Balance finden Bei der Jugendarbeit Dietlikon steht 2020 der Jahresschwerpunkt «Balance» auf dem Programm. «Wir unterstützen die Kids darin, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Erholung zu finden» erklärt Anna Tapernoux, die neue Teamleiterin der Jugendarbeit Dietlikon. Im Jugendtreff RedSky gibt es Angebote für Mittel- und Oberstufe. Mit einem mobilen Bus oder zu Fuss sind Jugendarbeitende der AJUGA zudem regelmässig im öffentlichen Raum unterwegs. Power und Play Das Beratungsangebot in Dietlikon heisst «Open Office». Hier haben Teenager jeden Freitag im Jugendtreff die Möglichkeit, ihr Bewerbungsdossier zu gestalten, Gespräche zu führen und sich von den Jugendarbeitenden beraten zu lassen. «Dass einzelne Jugendliche sich nicht als wertgeschätzter Teil der Gesellschaft fühlen, weil sie beispielsweise schlecht in der Schule sind, ist hochproblematisch», sagt Küderli. «Wir konzentrieren uns darauf, Jugendliche bei der Integration in die Gesellschaft zu unterstützen», führt Tapernoux an. Freizeitangebote wie Playground oder Powerplay helfen den Jugendlichen, Aufgaben zu übernehmen und zu delegieren. Selbstfindung und das Übergeben von Verantwortung wird hier gross geschrieben. Die Jugendarbeit wirkt unterstützend im Finden einer eigenen Identität. «Wichtig ist, dass die Jugendlichen weibliche und männliche Ansprechpersonen haben», führt Tapernoux an. In Brüttisellen sind neben Silvan Küderli auch Adriana Mathys und Aleksandar Lukic am Werk und auch in Dietlikon ist das sechsköpfige Team der Jugendarbeitenden gemischtgeschlechtlich. Im Hinblick auf das Angebot bieten beide Organisationen viel. «Natürlich besteht immer Luft nach oben. Wir haben viele Ideen, einige davon auch schon in der Pipeline», verrät Küderli. Dietlikon zieht mit: «Wir evaluieren gerade das Angebot der aufsuchenden Jugendarbeit und werden es laufend optimieren», sagt Tapernoux. Weiter wird neu der Discoraum im Jugendtreff Dietlikon an Jugendliche vermietet. Die Jugendarbeit nimmt dabei die Rolle der Vermieterin ein. Ziel ist es, die Jugendlichen darin zu unterstützen, Eigeninitiative und Verantwortung zu übernehmen. Es geht auch ohne Noten «Wir sehen uns gleichermassen als Erholungsort. Jugendliche bekommen keine Noten. Hier dürfen sie noch ohne Erwartungshaltung und Konsumzwang Mensch sein», schliesst Anna Tapernoux das Interview.
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