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2019_06

2 Dorfspiegel Dietlikon

2 Dorfspiegel Dietlikon / Wangen-Brüttisellen Kurier Nr. 6 7.2.2019 «Ich liebe die Vielfalt» Spontane Reaktionen, unterschiedliches Publikum und Morgendialoge auf «SRF1»: Nach seinem Auftritt im Kulturtreff Dietlikon unterhielt sich der Kurier mit Simon Chen. Interview: Ruedi Muffler «Kurier»: Sie haben im Programm Ihre asiatischen Wurzeln angesprochen, worauf auch Ihr Name hindeutet. Woher stammen Ihre Eltern? Simon Chen: Mein Vater stammt aus Taiwan, meine Mutter ist Schweizerin. Sie haben in Bern eine klassische Schauspielausbildung absolviert und waren während sieben Jahren an verschiedenen Theatern in Deutschland und in der Schweiz engagiert. Welche Rollen haben Sie auf der Bühne gespielt? Ganz unterschiedliche, klassische und andere. Was eben an Sprechbühnen gespielt wird. Adam und Eva und der paradiesische Sündenfall. (Foto rm) «Wer anderen applaudiert, hat schon verloren.» Mit diesen Worten begrüsst Simon Chen die Seminarteilnehmer beziehungsweise das Publikum im Dietliker Kulturtreff. Applaus im Voraus sei das Dümmste, was es gebe. Er verdeutlicht diese Aussage mit der Frage: «Bekommt ihr von eurem Vorgesetzten, wenn ihr am Morgen ins Büro kommt, Applaus? So wie ich euch einschätze, nehme ich nicht an, dass ihr selber Vorgesetzte seid.» Mit solch wenig aufbauenden Feststellungen konfrontiert er als deutscher Seminarleiter in zackigem Hochdeutsch sein Publikum immer wieder im Laufe des Abends. Mehrere Handlungsebenen Das fiktive Seminar ist eine von mehreren Handlungsebenen in Chens Programm «Typisch.Kabarett für Einzelfälle». Die zweite ist der Elternabend. Hier begegnet man Simon Chen als Lehrer einer Klasse, deren Schüler mehrheitlich einen Migrationshintergrund haben. Auf witzige Weise führt er einen Dialog mit den Eltern, beantwortet deren Fragen und geht auf deren Einwände ein. Als Zuschauer hat man das Gefühl, man sei Teil des Elternabends. Ähnlich verläuft das Diktat mit der Klasse und dessen Auswertung. Sprachliche Missverständnisse – voll schlank ist nicht gleich vollschlank, so wenig wie ein Wanderer und Einwanderer dasselbe bedeuten – sind nur eine Hürde, die es zu überwinden gilt. Eine weitere Handlungsebene ist der bereits erwähnte, eine Kritik der Vorstellung schreibende Journalist. Dazwischen steht Simon Chen als kritischer Beobachter und Kommentar des Zeitgeschehens. Seine Beobachtungen und Kommentare regen zum Lachen, manchmal auch nur zum Schmunzeln an. Chen macht Kabarett und nicht Comedy, was man schon der Altersstruktur des Publikums ansehe, wie er trocken feststellt. Um dem Publikum zwischendurch die Möglichkeit zu geben, durchzuatmen und das Gehörte zu verdauen, zeigte sich Chen als begabter Glasharfenspieler. Aufmerksamer Beobachter Simon Chen beobachtet sehr aufmerksam, was um uns herum geschieht und versteht es, seine Feststellungen so in Worte zu fassen, dass man sowohl zum Nachdenken wie auch zum Lachen angeregt wird. Es sind Themen, die uns täglich in irgendeiner Form beschäftigen. Das geht von der Flüchtlingsproblematik, die er deutlich vom Ausländerproblem abgrenzt, über das Sorgenbarometer, die Meinungsfreiheit, die Expats und das Burkaverbot bis unseren Waffenexporten. Als Seminarleiter führt er den Zuschauern vor Augen, dass sie alle Mussmenschen und als solche nicht freiwillig auf der Welt sind. Eine gar nicht so abwegige Behauptung, denn wer hat schon zu seiner Geburt etwas zu sagen gehabt. Noch weniger abwegig Chens Feststellung, dass es global gesehen viel mehr Ausländer als Schweizer gibt. Auf eine ganz andere Ebene begibt Simon Chen sich, wenn er dem Publikum mit Hilfe von zwei gestrickten Handpuppen namens Adam und Eva den paradisischen Sündenfall in seiner Version vorführt. Vom Vorurteil zum Cliché Ob es ein Vorurteil ist, dass alle Menschen voller Vorurteile sind, konnte Simon Chen nicht belegen. Dass Linke weniger Vorurteile haben als Rechte sei ein Cliché. Sie hätten einfach andere. Was aber ist der Unterschied zwischen Vorurteil, Pauschalisierung und Cliché? Vorurteil ist, wenn man jemanden einzig auf Grund seiner Herkunft oder seines Namens einstuft. Bei der Pauschalisierung überträgt man die Erfahrung mit einer Person auf eine Personengruppe. Zu einem Cliché wird es dann, wenn der Pauschalisierte tatsächlich dem Vorurteil entspricht. Was hat Sie bewogen, den Weg als Solokünstler einzuschlagen? Ich habe schon immer gern Texte geschrieben. Vor circa 14 Jahren habe ich dann Poetry Slam entdeckt und hobbymässig mitgemacht. Nachdem ich festgestellt hatte, dass man mit Texten Geld verdienen kann, sei es an Firmenanlässen oder Familienfeiern, habe ich mich entschieden, vom Schau- zum Wortspieler umzusatteln. Vor drei Jahren ist dann noch das Kabarett dazugekommen. Heute tanzen Sie auf vielen Hochzeiten: Poetry Slam, Kolumnist, freier Mitarbeiter bei Radio SRF, Moderator und Kabarettist. Was machen Sie am liebsten? Das Kabarett ist mein Hauptstandbein. Ich mache aber alles gern. Ich liebe die Vielfalt. «Typisch.Kabarett für Einzelfälle» ist Ihr zweites Programm. Seit wann sind Sie damit unterwegs und wie lange haben Sie Ihr erstes Programm gespielt? Die Premiere war im Oktober 2018. Mit meinem ersten Programm «Meine Rede. Kabarett am Pult der Zeit» war ich zweieinhalb Jahre unterwegs. Dies entspricht in etwa dem normalen Lebenszyklus eines Kabarettprogramms. Läuft das Programm jeden Abend gleich ab, oder anders gefragt, wie viel ist fix, wie viel ist Improvisation? Das meiste ist fix. Es kommt aber vor, dass ich auf eine Reaktion aus dem Publikum spontan reagiere. Ich bin mit Improvisieren jedoch vorsichtig, da die Gefahr besteht, den Faden zu verlieren. Reagiert das Publikum in grossen Sälen anders als in einem kleinen Theater wie dem Kulturtreff Dietlikon und stellen Sie Unterschiede bei den Publikumsreaktionen zwischen Stadt und Land fest? Die Grösse des Spielortes hat in der Regel keinen Einfluss auf die Reaktion des Publikums, die aber von Ort zu Ort unterschiedlich ausfällt. Dagegen stelle ich fest, dass das Publikum in ländlichen Gebieten, das kulturell nicht so verwöhnt ist wie das Publikum in städtischen Regionen, sich von Anfang an wohlwollender verhält. Sie sind regelmässig in der samstäglichen Radiosendung «Zytlupe» zu hören. Wann beginnen Sie, den Text zu schreiben? Da die Sendung inhaltlich wochenaktuell sein muss, beginne ich in der Regel am Dienstag, spätestens Mittwoch mit Schreiben. Am Freitag wird aufgenommen. Fast seit Anbeginn gehören Sie zum Autorenteam der Morgendialoge zwischen «Timo und Paps» auf SRF 1. Sprechen sich die Autoren über die Themen ab? Ja, wobei jeder Autor seine Spezialthemen hat. Die Koordination besorgt dann die Redaktion. Die Texte der aktuellen Staffel sind im November 2018 entstanden, da die Themen weiniger zeitgebunden sind. (Die nächste «Zytlupe» mit Simon Chen ist am Samstag, 2. März um 13 Uhr auf SRF 1 zu hören.) Mit dem zweiten Teil des Elternabends, bei dem es um das bevorstehende Klassenlager geht, schliesst Simon Chen auf witzige Weise den Kreis. Den endgültigen Schluss macht jedoch sein Lokaljournalist, der beim Schreiben der Kritik in eine Endlosschleife gerät, aus der er nicht mehr herausfindet.

Kurier Nr. 6 7.2.2019 Dorfspiegel Wangen-Brüttisellen 3 Arbeitstreffen zum Thema Jugendpartizipation Jugendliche heizen Politikern ein Jugendpartizipation wird nicht nur in Wangen-Brüttisellen grossgeschrieben. Vergangene Woche traf sich die gleichnamige Projektgruppe aus Jugendlichen, Jugendarbeitern, Politikern sowie Vertretern der Jugend- und Familienkommission der Schule und der Kirche am «Runden Tisch» im Gemeindesaal. Hakan Aki Junge Erwachsene in der Schweiz machen noch weniger Gebrauch von ihrem Stimmrecht als die Erwachsenen. Will man also, dass auch die nächste Generation erfährt, was man unter Demokratie versteht, ist es von zentraler Bedeutung, sie möglichst früh in ihrem Leben in partizipative Prozesse einzubeziehen. Genau mit diesem Ziel prüft der Dachverband der offenen, verbandlichen und kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit Zürich (okaj) die Strukturen der Kinder- und Jugendpartizipation auf Gemeindeebene. «Es handelt sich hierbei um ein Modelvorhaben, an dem sich mit Wangen-Brüttisellen, Bassersdorf, Hombrechtikon, Rümlang und Wallisellen fünf Gemeinden beteiligen», so Projektleiter Christoph Vecko. Mach was Vergangene Woche traf sich die Projektgruppe Jugendpartizipation, bestehend aus Jugendlichen, Jugendarbeitern, Politikern sowie Vertretern der Jugend- und Familienkommission, der Schule sowie der Kirche. Im Gemeindesaal ging es darum, die Anliegen der Jugendlichen, welche sie auf die Plattform www.engage. ch posten konnten, zu diskutieren und Lösungsansätze zu erarbeiten. Mit am «Runden Tisch» sassen Politiker wie Gemeindepräsidentin Marlis Dürst, René Zimmermann, der Leiter der Jugend- und Familienkommission, welche dieses Projekt in Wangen-Brüttisellen initiiert hat sowie Arun Müller, Leiter der Abteilung Gesellschaft. «Entscheide, die wir heute treffen, sind Entscheide, die uns morgen betreffen werden. Deshalb ist es wichtig, dass sich Jugendliche engagieren», führt Lea Hatt von www. engage.ch an, die an dem Abend die Umfrageergebnisse präsentierte. Die 18-Jährige ist unter anderem zuständig für die Kampagne «Verändere die Schweiz» und sitzt im kantonalen Jugendparlament. Gespräche auf Augenhöhe Einen Jugendverein. «Das ist es, was wir in Wangen-Brüttisellen brauchen», fand die Arbeitsgruppe politische Mitbestimmung. Die Jugendlichen für das Thema Politik zu sensibilisieren, sei Aufgabe der Schulen, fanden andere und plädierten mit ihrem Anliegen in Sekundarschulen auf Stimmenfang zu gehen und so das Interesse der Heranwachsenden an der Politik zu schärfen. Weiter soll den Schülerinnen und Schülern ein regelmässiger Newsletter dabei helfen, das politische Geschehen in Wangen-Brüttisellen verständlich zu vermitteln. Sportlich aktive sprachen sich unter anderem für ein Fitnesscenter unter freiem Himmel aus. «Was kostet dieses Vorhaben und vor allem wo finden wir ein geeignetes Grundstück?» Dies seien Fragen, die in Ideen der Jugendlichen standen im Zentrum (v. l. Lena, Lorent, Justin, Eren). einem nächsten Schritt beantwortet werden müssten, so Jugendarbeiter Silvan Küderli von der Offenen Jugendarbeit Wangen-Brüttisellen. Die Arbeitsgruppe Verkehr stimmte für eine Ausweitung der Busfahrpläne. Im Speziellen geht es um die Linie 796. Diese soll nach Auffassung der Jugendlichen ihren Betrieb an Wochenenden früher aufnehmen und unter der Woche bis 22.30 Uhr im Einsatz bleiben. Wunsch nach einem Zebrastreifen Ausserdem verlangen die Jugendlichen von den Politikern einen Zebrastreifen an der Kreuzung Haldenstrasse/Gsellstutz. Dies trage zur Wahrung der Sicherheit bei. Für Gemeinderat René Zimmermann ist die Umsetzung dieser Forderungen «nicht unmöglich». Auch eine Jugendbar und ein Aufenthaltsort ohne Aufsicht standen auf der Tagesordnung. «Wir versuchen, den Wünschen der Jugendlichen gerecht zu werden und befinden uns gerade in hitzigen Sondierungsgesprächen», hielt Gemeindepräsidentin Marlis Dürst darauf fest. Der Anfang ist gemacht Die Latte, die die Jugendlichen ihren politischen Vertretern auferlegt haben, ist hoch. Nun heisst es für die Politiker: Wort halten. Dabei gilt es den allgemeinen Nutzen, die Umsetzbarkeit und die Finanzierung abzuwägen. Wer fordert, muss bekanntlich auch liefern. Dies gilt nicht nur für die Politik. Auch den Jugendlichen fällt eine wichtige Aufgabe zu: Dranbleiben heisst die Devise. Politisch spricht man hier wohl von Nachhaltigkeit. Was das Treffen der Projektgruppe Jugendpartizipation vor Augen geführt hat, ist, dass sich Jugendliche aus Wangen-Brüttisellen durchaus für Politik begeistern. Nun geht es darum, dass sich die Arbeitsgruppen, die aus der Projektgruppe hervorgingen, an weiteren Terminen zusammenfinden und ein realistisches Konzept zur Durchsetzung ihrer verschiedenen Anliegen erarbeiten. Wir bleiben dran. Am Anfang steht der Dialog: Nach Gedanken von Gemeindepräsidentin Marlis Dürst (l.) stellten die Jugendlichen ihre Anliegen vor. (Fotos ha)

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